Be- und Verarbeitung
In früheren Jahrhunderten, als man noch den meisten Bernstein morgens am Strand fand, wenn die Ostsee nachts unruhig war, und die Bernsteine angeschwemmt wurden, war auch die Bearbeitung noch „vorsintflutlich“. Meist wurden nur die schönsten Stücke gesammelt, die man z. T. auch ohne Bearbeitung als Amulett tragen konnte. Ein Naturloch, durch das einst ein Baumast ragte, erleichterte das Durchziehen eines groben Lederbandes. Andere, nicht zersplitterte Bernsteine wurden mit Steinfeilen bearbeitet und dann mit feinem Sand zwischen Lederhäuten geschliffen. Die Feinpolitur erhielt der Bernstein auf die gleiche Weise mit Kreideschlamm, mit dem man sich auch die Zähne pflegte. Die geschliffenen Steine wurden mit feinen Steinbohrern durchbohrt und als Rosenkränze oder Halsketten aufgefädelt. Die Hersteller von Rosenkränzen nannte man „Pater-noster-Macher“. Bekannt gewordene Werkstätten des Deutschen Ordens befanden sich in Lübeck und Bremen.
BERNSTEINVERARBEITUNG, HEUTE.
Es erhebt sich zunächst die Frage, nach welchen Kriterien wird Bernstein überhaupt beurteilt? Außer dem Gesetz aus dem Jahre 1934 über den sog. Pressbernstein, den man auch Echtbernstein nennen darf, gibt es bisher keine offiziellen Aussagen, wie man die Qualität von ungeschliffenen Natur-Bernstein, bestimmt. Außerdem ist kein Bernstein wie der andere; jeder ist praktisch ein Unikat. Deshalb muß man sich auf handelsübliche Gepflogenheiten, die auch von Land zu Land unterschiedlich sind, stützen. Vier Kriterien lassen sich herauskristallisieren:
(1) Die Größe
Sie bestimmt das Gewicht. Dabei kann der Bernstein flach oder hoch sein. Die meist gefundenen Stücke werden vom Gewicht her klassifiziert:
bis 10 g,
10 g – 20 g,
20 g – 40 g,
40 g – 100 g,
100g – 200g, jeweils 100g mehr.
Bernsteine mit mehr als 100 g Gewicht sind bereits selten und daher ungleich wertvoller und teurer. Die unterschiedlichen Größen von Bernsteinen können wie folgt unterschieden werden:
Granulat, Splitter, Größen in Form von Erbsen, Haselnüssen, Wallnüssen, kleinen, mittleren und großen Kartoffeln. Noch größere Bernsteine werden häufig nach ihrer Form bezeichnet: Brotlaib oder Ackerscholle. Beide Größen sind ebenfalls höchst selten.
(2) Die Beschaffenheit
Festigkeit und Struktur: Entscheidend für die Beurteilung der Bernsteine
sind diese beiden Eigenschaften. Zersplitterte und angesplitterte
Steine sowie Sprünge im Stein mindern die Qualität. es entsteht beim Schneiden und Schleifen zur Verwendung von Schmuck viel Abfall. Eine Zersplitterung ist u. a . auch dadurch entstanden, daß mehrfach Harz übereinander geflossen ist. Unbeschädigte Bernsteine z. B. in Form von Tropfen, Kugeln. Knollen, manchmal auch mit einem natürlichen Loch, durch das einst ein kleiner Ast ragte, sind besonders
wertvoll. Sie werden auch „Selbst entstandene Figuren“ oder „Figuren nicht von Menschenhand geschaffen“ genannt.
(3) Einschlüsse/Inklusen.
Wie an anderer Stelle beschrieben, sind als besonders wertvoll die Einschlüsse
im Bernstein zu bezeichnen. So gibt es Erde-, Luft-, Wasser-, Pflanzen- und Tiereinschlüsse. Als besonderes Kleinod sind bewegliche
Wassertropfen anzusehen.
(4) Farbe
Die normale Farbe des Bernsteines ist cognac, beige und braun, bzw. Farbvarianten davon. Selten sind weißer, roter, blauer, grüner und schwarzer Bernstein.
Weitere Merkmale sind: Aussehen der Rinde.
Sie ist manchmal so schön, daß sie poliert und zu Schmuck verarbeitet wird. Rinde und Bernstein symbolisieren manchmal Tiere, Köpfe oder sonstige Figuren.
Durchsichtige, milchig-trübe Bernsteine
Die durchsichtigen Steine sind für Schmuckherstellung am beliebtesten,
weil die meisten Schmuckträgerinnen den cognac-farbenen Bernstein bevorzugen. Der undurchsichtige Bernstein, sofern er nicht durch Erdeeinschluss (Schlacke) oder Moose verunreinigt ist, läßt sich durch Erhitzen auf 180 Grad aufklaren. Das trifft jedoch nicht für trüben Bernstein mit Kreideeinschluß zu. Der Anteil von milchigem zu klarem Bernstein beträgt ca. 20:80.
DIE ARBEITSGÄNGE VOM ROHEN BERNSTEIN ZUM FERTIGEN PRODUKT.
(1) Sortieren und durchleuchten.
Die Rohbernstein werden nach Größen, wie oben erläutert im nassen Zustand sortiert. Klare Bernsteine werden durchleuchtet, damit man die „Inklusensteine“ gleich separiert.
(2) Sägen
Je nach Verwendungszweck (Kugeln für Ketten oder größere Stücke für Broschen, Anhänger) werden die Steine gesägt bzw. zugeschnitten. Größere Stücke werden mit einem „Diamanten“ bearbeitet. Dabei wird vor allem die Verwitterungsrinde vom Bernstein entfernt, weil diese sich nur in den seltensten Fällen für Schmuck eignet.
(3) Klaren der Bernsteine
In einem sogenannten „Autoklaff“ (Ofen) werden die Bernsteine bei 180 – 200 Grad und 60 Atü Druck aufgeklart, so dass alle Trübungen entfernt sind. Durch Erhitzen entsteht im Bernstein, je nach Brenndauer,
auch die typische Cognacfarbe und die sogenannten „Sonnenflinten“.
Das sind kleine Sprünge im Innern des Steines. Viele Bernsteine haben die „Sonnenflinten“ bereits natürlich eingeschlossen. Diese sind vermutlich durch die Hitze in der Natur entstanden. Danach
werden die Steine auf einen Messingstift aufgeklebt und in einem Automaten abgeschliffen. Es erfolgt meist ein weiterer Sortiervorgang, um die Steine nach Eignung für Ketten, Broschen, Anhänger u.s.w. getrennt weiter bearbeiten zu können.
(4) Schleifen.
Der nächste Vorgang ist das Schleifen der Steine. Das erfolgt bei unregelmäßigen
Steinen von Hand, damit nicht zu viel Abfall entsteht. Auch Bernsteine, die für Kugeln geeignet sind, werden meist von Hand geschliffen. Für Kugeln eigenen sich jedoch nur ca. 20 % aller Steine. Bernsteine werden in größeren Betrieben mit industrieller Fertigung in einer Schleiftrommel mit Eichenholzstückchen, die mit Schleif- bzw. Polierpaste bestrichen sind, geschliffen und poliert. Man spricht dann auch von sogenannten „Trommelsteinen“.
Bernstein schleifen
Bernstein polieren
Bernstein geschliffen und poliert
Der Verfasser Horst W. Henn beim Schleifen in Danzig
(5) Bohren
Für Ketten werden die geschliffenen Bernsteine gebohrt.
(6) Drexeln
Um eine bestimmte Form zu erreichen, werden manche Bernsteine gedrechselt,
ein Vorgang, den man auch bei der Holzbearbeitung kennt.
(7) Polieren und gegebenenfalls Facettieren.
Den „Feinschliff“ erhalten die Bernsteine durch den Poliervorgang. Ein besonderer Schliff erhält der Bernstein durch „Facettieren“ (Rautenfläche),
was man normalerweise von geschliffenen Diamanten zu Brillianten kennt.
Kleine Steine z. B. für Ringe, Ohrringe u.s.w. werden in einer rotierenden
Trommel unter Zusatz von kleinen Holzstückchen mit Schleif- bzw. Polierpaste bearbeitet.
(8) Auffädeln von Kettensteinen bzw. Einpassen polierter Steine in vorgefertigte Fassungen.
Die meisten Ketten haben zwischen jedem Bernstein einen Knoten, der auch verhindert, dass bei Zerreißen der Kette die Steine herausfallen.
Zur Sicherheit werden die Steine in Ohrringe, Ringe, Broschen oder Anhänger nicht nur fest gefaßt, sondern auch eingeklebt.
Die gesamte Herstellzeit, vom rohen Bernstein bis zum fertigen Schmuckstein, beträgt ca. acht Tage.
Aus 4,5 kg Naturbernstein läßt sich ca. 1,0 kg Schmuck herstellen.
Z. T. beträgt der Ausnutzungsgrad nur 20 %.
Häufig wird die Frage gestellt, was geschieht mit den kleinen Bernsteinstückchen,
die beim Sägen abfallen: Diese werden zum Teil als Granulat für Bilderherstellung verwendet. Zum Teil werden die Stücke auch eingeschmolzen und zu Pressbernstein verarbeitet.
Dies geschieht bei ca. 250 Grad Hitze und 300 Atü Druck.
(9) Ein Tipp für den Laien zum Selbermachen!
Wer selber einmal einen Bernstein bearbeiten möchte, kann das ohne weiteres tun. Da der Bernstein eine Mohshärte von 2,6 (ein Mineralstein z. T. über 5 Msh) besitzt, läßt er sich mit Schmirgelpapier verschiedener Sandstärken sehr gut bearbeiten. Mit einem speziellen Bohrer bzw. speziellen Schnitzwerkzeugen lassen sich kleine Kunstwerke herstellen. Polieren kann man den Bernstein mit spezieller Polierpaste aber auch mit Schlämmkreide oder mit weißer Zahnpasta
BERNSTEIN IN IHRER SCHÖNSTEN FORM.
Bereits vor 10 000 Jahren wurde Bernstein als Schmuckstein getragen. Das beweisen Grabfunde. Auch im Grab der Pharaonen fand man ihn an Ketten von Königinnen. Die meisten wurden als Amulette getragen, wie die Originalstücke aus der „Hemis-Sammlung“ beweisen.
Übrigens: Schmuck aus Mineraledelsteinen ist seit 7 000 Jahren bekannt.
Besuchen Sie unsere Bildergalerie.
Sie werden begeistert sein.
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